Bhagavad Gita
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❍
・Dhritarastra:
Im heilgen Land, im Kuru-Land, zusammentreffend kampfbereit,
was taten dort, o Sanjaya, die Meinen und die Pândava?
・Sanjaya:
Als nun Duryodhana das Heer der Pândus aufgestellet sah,
da trat er zu dem Lehrer hin, der König, und sprach dieses Wort:
Sieh dort der Pându-Söhne Heer, o Lehrer, das gewaltige,
von deinem Schüler aufgestellt, dem klugen Sohn des Drupada.
Da stehen Helden, Pfeilschützen, dem Arjuna und Bhîma gleich,
Yuyudhâna und Virâta und Drupada, der Wagenheld.
Dhrishtaketu, Cekitâna und Kâçis heldenhafter Fürst,
Purujit und Kuntibhoja und Çâivya auch, der Männerstier.
Yudhâmanyu, der tapfre Held, und Uttamâujas, kraftbegabt,
Subhadrâs Sohn, der Drâupadî Söhne, auf hohen Wagen all.
Die Besten aber auch bei uns nimm, bester der Brahmanen, wahr,
die Führer dieses meines Heers, – dich zu erinnern, nenn’ ich sie:
Du selbst und Bhîshma, Karna auch und Kripa, der im Kampfe siegt,
Açvatthâman und Vikarna, wie auch des Somadatta Sohn;
und viele andre Helden noch, ihr Leben opfernd meinethalb.
Schwingend der Waffen mancherlei, sie alle mit dem Kampf vertraut.
Nicht ist genügend unser Heer, ob Bhîshma auch sein Führer ist,
genügend aber ist ihr Heer, an dessen Spitze Bhîma steht.
In all den Heeresreihen hier am rechten Platze aufgestellt,
sollt denn ihr all, wie viel ihr seid, den Bhîshma schützen, wie ihr könnt.
Drauf ihm erweckend Kampfesmut blies laut das Muschelhorn der Greis,
der hehre Ahn des Kuru-Stamms, daß es wie Löwenbrüllen scholl.
Die Muscheln und die Pauken drauf, die Trommeln und Drommeten all,
die wurden da mit Macht gerührt, daß zum Getöse wuchs ihr Schall.
Auch Krishna und des Pându Sohn bliesen die Himmelsmuscheln laut,
auf hohem Wagen stehend da, von lichten Rossen fortgeführt.
Krishna die Dämonsmuschel blies, die Gottgeschenkte Arjuna,
die große Muschel Pâundra blies der Schreckensmann Wolfseingeweid.
Die Siegesmuschel blies der Fürst, der Kuntî Sohn Yudhishthira,
doch Nakula und Sahadev auf Tonreich und Juwelenblüt.
Der Kâçi-Fürst, der beste Schütz, und Çikhandin, zu Wagen hoch,
Virâta, Dhrishtadyumna und Satyakas unbesiegter Sohn;
Drupada samt der Enkel Schar und Abhimanyu, starken Arms,
sie bliesen all, o Erdenherr, auf ihren Muscheln hier und dort.
Und dies Getön zerspaltete der Dhritarâshtra-Söhne Herz,
da es den Himmel und die Erd’ von wirrem Lärm erdröhnen ließ.
Als Arjuna nun vor sich sah der Dhritarâshtra-Söhne Schar,
und der Geschoße Regen schon begann, hob er den Bogen hoch;
sodann, zu Krishna hingewandt, sprach er dies Wort, o Erdenherr:
Inmitten beider Heere hier halt’, Ewiger du, den Wagen an!
Bis ich mir diese angesehn, die kampfbegierig stehn in Reihn, –
mit wem ich denn da kämpfen soll im heißen Mühen dieser Schlacht.
Zum Kampf bereit seh’ ich sie stehn, die hier am Ort versammelt sind,
dem argen Dhritarâshtra-Sohn im Streite ihren Arm zu leihn.
Also gemahnt von Arjuna hielt Krishna gleich, o Bhârata,
inmitten beider Heere dort den herrlichsten der Wagen an.
Vor Bhîshma und vor Drona dann, und vor den Erdenherrschern all,
sprach er: Sieh, Sohn der Prithâ, dort herbeigeströmt der Kuru Schar!
Da sah der Sohn der Prithâ stehn die Väter und Großväter dort,
Lehrer, Brüder und Oheime, Söhne, Enkel und Freunde auch;
Schwäher wie auch Gefreundete, in beiden Heeren gleicherweis;
als alle die Verwandten dort der Kuntî Sohn kampffertig sah,
Von höchstem Mitleid übermannt, sprach er kleinmütig dieses Wort:
・Arjuna:
Ich sehe der Verwandten Schar, o Krishna, kampfbereit genaht,
da werden meine Glieder schwach und es verdorret mir der Mund,
ein Zittern geht durch mein Gebein und meine Haare sträuben sich;
Gândîva sinkt mir aus der Hand, die Haut an meinem Körper brennt,
nicht länger kann ich aufrecht stehn, wie unstät irrt mein Geist umher.
Und Zeichen schau ich, aber ach, gar böse Zeichen, Keçava!
Kein Heil mehr seh’ ich, wenn im Kampf ich die Verwandten umgebracht.
Krishna, den Sieg begehr’ ich nicht, noch Herrschaft, noch die Freuden all!
Was soll die Königsherrschaft uns, was der Genuß, das Leben selbst?
Um derentwillen wünschenswert Herrschaft, Besitz und Freuden sind,
die stehn in Reihen hier, im Kampf aufopfernd Leben, Hab und Gut.
Lehrer, Väter und Söhne sind’s und ebenso Großväter auch;
Oheime, Schwäher, Enkel sind’s, Schwäger wie auch Verwandte sonst.
Diese zu töten wünsch’ ich nicht, und sollten sie mich töten auch,
selbst um der Dreiwelt Herrschaft nicht, – wie denn um Erdenherrschaft nur?
Wenn Dhritarâshtras Söhne wir gefällt, wie würden je wir froh?
Die Sünde haftete uns an, wenn diese Gegner wir gefällt.
Darum nicht dürfen töten wir der blutsverwandten Kuru Schar;
wenn wir den eignen Stamm gefällt, wie könnten je wir glücklich sein?
Und wenn auch diese es nicht sehn, durch Gier beraubet des Verstand’s,
daß Sünde im Verwandtenmord und Schuld in Freundeskränkung liegt;
wie sollten wir’s verstehen nicht, vom Bösen uns zu wenden ab,
die wir doch den Verwandtenmord als Sünde deutlich vor uns sehn?
Bei Stammesmord zu Grunde gehn die alten Stammespflichten auch;
ist dies geschehn, bemächtigt sich das Unrecht bald des ganzen Stamms.
Dann, durch des Unrechts Übermacht, sind bald verderbt des Stammes Frau’n,
und sind die Frauen erst verderbt, tritt auch die Kastenmischung ein.
Die Mischung führt zur Hölle hin die Stammesmörder wie den Stamm;
Verlust der Mannenopfer stürzt die Väter aus der Sel’gen Reich.
So durch der Stammesmörder Schuld, die selbst zur Kastenmischung führt,
auflösen sich die ewigen Standes- und Stammespflichten all.
Wo aber in der Menschenwelt die Stammespflichten aufgelöst,
folgt unausweichlich Höllenpein als Strafe – also hörten wir.
O weh, wie schwere, sünd’ge Tat sind wir entschlossen hier zu tun,
da aus Begier nach Thron und Glück wir morden wollen unsern Stamm!
Wenn wehrlos, ohne Widerstand, die Dhritarâshtra-Söhne mich
erschlagen wollten in dem Kampf, – fürwahr, mir würde wohler sein!
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・Sanjaya:
So sprach im Kampfe Arjuna und ließ im Wagen nieder sich,
ließ fahren Pfeil und Bogen da, durch Schmerz verwirrt in seinem Geist.
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・Sanjaya:
Als so von Mitleid übermannt und tränenüberströmten Aug’s
Arjuna in Betrübnis sank, sprach Krishna zu ihm dieses Wort:
・Krishna:
Woher kommt dieser Kleinmut dir im Augenblicke der Gefahr?
Unrühmlich und unwürdig ganz des edlen Manns, o Arjuna!
Verbanne die Unmännlichkeit! Sie ziemt dir nicht, o Prithâ-Sohn!
Die Schwäche, die erbärmlich ist, gib auf! Erhebe dich, du Held!
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・Arjuna:
Wie soll ich hier in diesem Kampf den Bhîshma und den Drona auch,
die beide ich verehren muß, mit scharfen Pfeilen greifen an?
Weit besser, die hochwürd’gen Lehrer schonen
und Bettlerbrot auf dieser Erde essen!
Denn töt’ ich sie, ob sie auch schätzelüstern,
mit Blut befleckt fortan wär’ meine Speise!
Wir wissen’s nicht, was mehr uns würde frommen, –
wenn wir die Sieger – wenn wir die Besiegten?
Was soll das Leben uns, wenn wir getötet
die Kuru-Söhne, die dort vor uns stehen?
Die jammervolle Lage bricht mein Wesen,
die Pflicht verwirrt sich mir, – ich muß dich fragen:
Was wär’ die bessere Entschließung? sag mir’s!
Dein treuer Schüler bin ich, – lehre du mich!
Nicht seh ich, was den Gram mir je verscheuchte,
der meine Sinne ganz ausdörren müßte, –
Erlangt’ ich auch der Erde reichste Krone,
ja, bei den Göttern selbst die Oberherrschaft.
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So sprach der Ringellockige, der Held, zum ew’gen Gott gewandt;
Ich will nicht kämpfen! – also rief noch einmal er, dann war er still.
Doch lächelnd sprach zu ihm darauf, als er ihn so voll Kleinmut sah,
inmitten beider Heeresreihn, der heilige Krishna dieses Wort:
・Krishna:
Du redest gut, allein du klagst um die, die nicht beklagenswert,
nicht Tote, noch auch Lebende beklagt jemals der Weisen Schar.
Nie war die Zeit, da ich nicht war, und du und diese Fürsten all,
noch werden jemals wir nicht sein, wir alle, in zukünftger Zeit!
Denn wie der Mensch in diesem Leib Kindheit, Jugend und Alter hat,
so kommt er auch zu neuem Leib, – der Weise wird da nicht verwirrt.
Der Atome Berührung nur ist kalt und warm, bringt Lust und Leid,
sie kommen, gehen, ohn’ Bestand, – ertrage sie, o Bhârata!
Der weise Mann, den diese nicht erregen, o du starker Held,
der Leid und Lust gleichmütig trägt, der reift für die Unsterblichkeit.
Es gibt kein Werden aus dem Nichts, noch wird zu Nichts das Seiende!
Die Grenze beider ist erschaut von denen, die die Wahrheit schaun.
Doch wisse, unvergänglich ist die Macht, durch die das All gewirkt!
Des Ewigen Vernichtung kann bewirken Niemand, wer’s auch sei.
Vergänglich sind die Leiber nur, – in ihnen weilt der ew’ge Geist,
der unvergänglich, unbegrenzt – drum kämpfe nur, du Bhârata!
Wer denkt, es töte je der Geist oder werde getötet je,
der denkt nicht recht! Er tötet nicht, noch wird jemals getötet er.
Niemals wird er geboren, niemals stirbt er,
nicht ist geworden er, noch wird er werden,
der Ungeborne, Ewige, Alte – nimmer
wird er getötet, wenn den Leib man tötet.
Wer ihn als unvernichtbar kennt, als ewig und unwandelbar,
wie kann ein solcher töten je, wie töten lassen, Prithâ-Sohn?
Gleichwie ein Mann die altgewordnen Kleider
ablegt und andre, neue Kleider anlegt,
so auch ablegend seine alten Leiber
geht ein der Geist in immer andre, neue.
Es schneiden ihn die Waffen nicht, es brennet ihn das Feuer nicht,
es nässet ihn das Wasser nicht, es dörret ihn auch nicht der Wind.
Zu schneiden nicht, zu brennen nicht, zu nässen nicht, zu dörren nicht,
er ist beständig, überall, fest, ewig, unerschütterlich.
Unsichtbar und unvorstellbar und unveränderlich heißt er,
darum, sobald du ihn erkannt, darfst du nicht mehr beklagen ihn.
Und wenn für stets geboren auch, für stets gestorben du ihn hältst,
doch darfst du, Held mit starkem Arm, um diesen trauern nimmermehr.
Denn dem Gebornen ist der Tod, dem Toten die Geburt bestimmt, –
da unvermeidlich dies Geschick, darfst nicht darüber trauern du.
unsichtbar sind die Anfänge der Wesen und ihr Ende auch,
die Mitte nur ist sichtbar uns – was gibt’s für Grund zur Klage da?
Der Eine schauet ihn als wie ein Wunder,
der Andre spricht von ihm als einem Wunder,
der Dritte hört von ihm als einem Wunder,
doch hört er’s auch, es kennet ihn doch Keiner.
Die Seele unverletzbar ist, ewig, in eines Jeden Leib,
darum die Wesen allesamt darfst du betrauern nimmermehr.
Auch wenn du deine Pflicht bedenkst, geziemt sich’s dir zu zittern nicht,
denn für den Krieger gibt es ja nichts Bessres als gerechten Kampf.
Als hätte sich von ungefähr des Himmels Pforte aufgetan,
so grüßen freudig, Prithâ-Sohn, die Krieger einen solchen Kampf.
Wenn diesen pflichtgemäßen Kampf du aber nicht bestehen wirst,
im Stiche lassend Pflicht und Ruhm, wird Übles nur dein Anteil sein.
Es werden deine Schande dann die Wesen künden immerfort,
dem aber, der in Ehren steht, ist Schande mehr als selbst der Tod.
Furcht vor dem Kampf hielt dich zurück, so denken dann die Helden all,
und wo du hoch geachtet warst, da wirst du bald verachtet sein.
Und viele böse Reden wird dann führen deiner Feinde Schar,
beschimpfend deine Tüchtigkeit, – und was ist schmerzlicher als dies?
Im Tod gehst du zum Himmel ein! Siegst du, fällt dir die Erde zu!
Darum erheb’ dich, Kuntî-Sohn, entschlossen wieder zu dem Kampf!
Gleich achtend Glück und Ungemach, Gewinn, Verlust, Sieg oder Tod,
bereite nun zum Kampfe dich! So wird kein Übel dir zu Teil.
Dies ist Weisheit durch Reflexion, nun höre die der Andacht auch!
Mit solcher Weisheit wohlversehn, streifst du der Taten Fesseln ab.
Hier gibt es für dein Streben nie Vernichtung oder Minderung;
ein wenig dieses frommen Brauchs bewahrt dich schon vor großer Furcht.
Entschlossenheit, o Kuru-Sproß, birgt diese Weisheit ganz allein!
Der Unentschloßnen Weisheit ist gar weitverzweigt und ohne End.
Gar blumenreiche Rede führt im Mund der Unverständ’gen Schar,
am Vedenwort erfreun sie sich und sprechen: Andres gibt es nicht!
Ihr Höchstes ist das Himmelsglück! Ihr Wort verheißt als Lohn der Tat
höh’re Geburt, – für Opferwerk sei Herrschaft und Genuß der Lohn.
An Genuß und Herrschaft hängend, durch solche Rede sinnberaubt,
erlangen niemals sie, vertieft, die Weisheit der Entschlossenheit.
Der Qualitäten Reich gehört der Veda an – davon sei frei!
Frei von der Gegensätze Band, frei von Besitz, Herr deiner selbst!
So viel ein Brunnen nützt, in den das Wasser strömt von allerwärts,
so groß ist für die Priesterschaft der Nutzen, den der Veda bringt.
Bemühe nur dich um die Tat, doch niemals um Erfolg der Tat!
Nie sei Erfolg dir Grund des Tuns, – doch meid’ auch Tatenlosigkeit!
In Andacht fest, tu deine Tat! Doch häng’ an nichts, du Siegreicher!
Laß den Erfolg ganz gleich dir sein, – der Gleichmut ist’s, der Andacht heißt.
Die Tat steht ja, du Siegreicher, unter des Geistes Andacht tief!
Im Geiste such die Zuflucht du! Kläglich, wen Tatenfrucht bewegt.
Beides, Guttat und Übeltat, gibt der Andächt’ge völlig auf;
drum weihe ganz der Andacht dich! Andacht bringt Heil auch bei der Tat.
Die tatgeborne Frucht gibt auf, wer andächtig und weise ist!
Von der Geburten Fessel frei gelangt er an den Ort des Heils.
Wofern dein Geist den dichten Wald der Torheit überwinden wird,
dann wird der Ekel fassen dich ob Allem, was der Veda lehrt.
Wenn – abgewandt dem Vedenwort – dein Geist nur fest und unverrückt
in der Vertiefung weilen wird, dann wird die Andacht dir zuteil.
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・Arjuna:
Den weisen und vertieften Mann, was zeichnet ihn, o Krishna, aus?
Was ists, das der Andächt’ge spricht? Wie ruhet er? Wie wandelt er?
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・Krishna:
Wenn des Herzens Begierden all er gänzlich aufgibt, Prithâ-Sohn,
am Selbst und durch das Selbst vergnügt, – dann heißet er in Weisheit fest!
In Leiden unerschrocknen Sinns, in Freuden des Verlangens bar,
frei von Leidenschaft, Furcht und Zorn, andächtig, – der ist ein Asket!
Wer jeglichen Verlangens bar, ob’s schön ihm oder unschön geht,
nicht Freude fühlet, noch auch Haß, – bei Solchem steht die Weisheit fest.
Wenn von sinnlichen Dingen ab er ganz die Sinne in sich zieht,
gleichwie die Schildkröt’ in sich kriecht, – dann steht bei ihm die Weisheit fest.
Die Sinnendinge weichen fort von dem, der streng enthaltsam ist;
die Neigung bleibt, doch sie auch weicht, sobald er auf das Höchste schaut.
Auch dem vernünft’gen Manne, der sich redlich müht, o Kuntî-Sohn,
rauben die Sinne den Verstand, ihn aufregend mit Ungestüm.
Sie alle bänd’gend sitze er in Andacht ganz mir zugewandt!
Wer Herr der eignen Sinne ist, bei dem nur steht die Weisheit fest.
Wer an sinnliche Dinge denkt, wird bald zu ihnen neigen sich,
aus solchem Hange wird Begier, aus der Begier entsteht der Zorn.
Aus dem Zorn die Betörung kommt, dann tritt Gedächtnisstörung ein,
dann geht zugrund die Einsicht ihm, und endlich geht er selbst zugrund.
Wer aber lebt in dieser Welt mit Sinnen, die ihm untertan,
die frei von Haß und Leidenschaft, der kommt zu ruh’ger Heiterkeit.
Und solche Heiterkeit läßt ihn verlieren all und jeden Schmerz,
bei heitrem Geiste wird sich ihm die Einsicht ja befest’gen bald.
Wer nicht andächtig ist, dem geht Erkenntnis und Vertiefung ab;
es fehlt der Seelenfriede ihm, – wie kann ein Solcher glücklich sein?
Sobald der Geist sich richtet nach der losen Sinne Wanderschar,
dann reißt ihm das die Einsicht fort, gleichwie der Wind das Schiff im Meer.
Darum, wer seine Sinne ganz, von Allem in der Sinnenwelt
zurückhält, o Großarmiger, bei Solchen steht die Einsicht fest.
Wo’s Nacht für alle Wesen ist, da wachet, wer sich zügeln will;
wo Alles wacht, da ist es Nacht, dem Weisen, der die Wahrheit schaut.
Wer wie das Meer, in das die Wasser strömen,
das sich anfüllet und doch ruhig dasteht, –
wer so in sich die Wünsche läßt verschwinden,
Der findet Ruhe – nicht, wer ihnen nachgibt.
Der Mann, der jeden Wunsch aufgab und nichts verlangend lebt dahin,
von Eigennutz und Selbstsucht frei, der geht zum Seelenfrieden ein.
Dies ist der Brahman-Standpunkt, Freund! Wer ihn erreicht, wird nicht betört!
Wer auch im Tod dabei verharrt, der wird in Brahman ganz verwehn.
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・Arjuna:
Wenn du die Einsicht höher stellst als wie die Tat, Janârdana,
warum zur fürchterlichen Tat treibst du mich an, o Keçava?
Mit doppelsinn’ger Rede so verwirrest du mir nur den Geist,
dies Eine sag mir ganz bestimmt, wodurch das Heil ich mag empfahn!
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・Krishna:
Ein Doppelstandpunkt ist von mir vorhin verkündet, Reiner, dir:
Die Erkenntnis der Denkenden und der Andächt’gen frommes Tun.
Nicht durch Vermeidung jeder Tat wird wahrhaft man vom Tun befreit,
noch durch Entsagung von der Welt gelanget zur Vollendung man.
Nie kann man frei von allem Tun auch einen Augenblick nur sein,
die in uns wohnende Natur zwingt Jeden, irgend was zu tun.
Wer seine Tatorgane zwingt und dasitzt, doch betörten Sinns
im Geist der Sinnendinge denkt, wird ein verkehrter Mensch genannt.
Doch wer die Sinne durch den Geist bezwingend sich ans Handeln macht
mit seinen Tatorganen – doch nicht daran hängt –, der stehet hoch.
Vollbringe die notwend’ge Tat, denn Tun ist besser als Nichttun;
des Körpers Unterhaltung schon verbietet es dir, nichts zu tun.
Außer dem Opfer steckt die Welt ganz in den Fesseln ihres Tuns,
darum vollbring du solche Tat, doch ohne dran zu hängen je.
Einst sprach Prajâpati, als er das Opfer und die Menschen schuf:
Durch dieses sollt ihr fruchtbar sein, dies soll die Wunschkuh sein für euch.
Fördert damit die Götter ihr! Die Götter sollen fördern euch!
Euch gegenseitig fördernd so, sollt finden ihr das höchste Heil.
Genüsse, die ihr wünscht, spenden die Götter dann euch, so verehrt,
doch wer solch Glück genießt und nicht den Göttern opfert, ist ein Dieb.
Von allen Sünden wird befreit, wer nur von Opferresten lebt;
wer für sich selber kocht, ist schlecht, und Sünde ist’s, was er genießt.
Durch Speise lebt der Wesen Schar, durch Regen wächst die Speise auf,
durch’s Opfer kommt der Regenguß, das Opfer ist des Menschen Tat.
Dies Tun stammt von der Gottheit her, die Gottheit aus dem ew’gen Sein,
drum ist die Gottheit allerwärts vorhanden in dem Opfer stets.
Wer dies in Gang gekommne Rad nicht immer weiter rollen läßt,
sündig, fröhnend der Sinnenlust, – der lebt vergeblich, Prithâ-Sohn!
Doch wer sich an dem Selbst erfreut und durch das Selbst gesättigt ist,
im Selbst allein vergnügt – der Mensch, der ist von allem Tun erlöst.
Er hat’s nicht nötig, daß etwas geschehn ist oder nicht geschehn,
noch sucht bei allen Wesen er Zuflucht aus irgend einem Grund.
Drum, ohne dran zu hängen je, führ’ aus die Tat, die deine Pflicht!
Wer handelt ohne Hang zur Welt, der Mensch erreicht das höchste Ziel.
Durch solche Tat kam Janaka nebst Andern zur Vollkommenheit;
auch im Hinblick auf die Ordnung der Menschenwelt mußt handeln du.
Was irgend nur der Beste tut, das tun die andern Menschen auch,
was er als Richtschnur stellet hin, demselben folgt die Menschheit nach.
In den drei Welten hab’ ich nichts, o Prithâ-Sohn, zu führen aus,
noch zu erlangen, was mir fehlt, und doch beweg’ ich mich im Tun.
Denn wenn ich mich nicht unentwegt im Tun bewegte immerdar,
was wär’s? Da alle Menschen doch nur meinen Spuren folgen nach?
Zugrunde ging’ die ganze Welt, wenn ich die Tat nicht würde tun,
ein Chaos brächt’ ich dann hervor und mordete die Wesen all.
Die Toren hängen an der Tat, die sie vollführen, Bhârata,
der Weise tu sie ohne Hang, sich mühend um der Menschheit Wohl.
Nicht mache irr die Toren er, die an den Taten hängen fest,
gern tu der Weise jede Tat, andächtig stets sie führend aus.
Die Taten kommen all zu Stand durch Eigenschaften der Natur;
wen Selbstbewußtsein töricht macht, der denkt: Ich bin der Täter, ich!
Doch wer den Doppelunterschied von Kraft und Tat in Wahrheit kennt,
der hängt nicht fest, der kennt das Reich, da Kräft’ in Kräften walten fort.
Wen dieses Spiel der Kräfte täuscht, der hänget an der Kräfte Tun,
schwach ist er und kennt nicht das All – wer’s kennt, der lasse den in Ruh.
Drum wirf auf mich hin all dein Tun, nur denkend an den höchsten Geist,
nichts hoffend und begehrend nichts, so kämpfe, frei von allem Schmerz.
Die Menschen, welche immerdar nachfolgen diesem meinem Wort,
die gläubig sind und murren nicht, befrein durch ihre Taten sich.
Die aber, murrend wider mich, nicht folgen diesem meinem Wort,
in aller Einsicht ganz verwirrt, die Toren, wisse, gehn zugrund.
Der Weise auch tut immer das, was der Natur in ihm entspricht;
die Wesen gehn nach der Natur – was will der Zwang bewirken da?
An jedem Sinnesgegenstand hängt Neigung und Abneigung fest, –
nicht fall’ in deren Herrschaft er, sie sind ja seine Gegner beid’.
Die eigne Pflicht steht oben an, und brächte sie uns auch den Tod!
Tu noch so gut die fremde Pflicht, sie bringt dir doch nichts als Gefahr.
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・Arjuna:
Allein, von wem denn angespornt, begeht der Mensch die sünd’ge Tat,
auch wenn er selbst es gar nicht will, als trieb’ ihn irgend eine Macht?
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・Krishna:
Das ist die Gier, das ist der Zorn, der aus der Leidenschaft entspringt!
Das ist der Böse, der verschlingt! ja wisse, dieser ist der Feind.
Wie’s Feuer wird vom Rauch verhüllt und wie der Spiegel durch den Schmutz,
wie von der Haut der Embryo, so ist von dem umhüllt die Welt.
Die Einsicht ist von ihm umhüllt, der stets der Feind des Weisen ist,
von ihm, dem proteusartigen, dem Feu’r, das unersättlich ist.
Die Sinne, Innensinn, Verstand – die werden sein Gebiet genannt,
durch sie verwirrt den Menschen er, indem die Einsicht er umhüllt.
Drum zügle du von Anfang an die Sinne, edler Bhârata,
gib auf das Böse, es zerstört Erkenntnis und Erfahrung dir.
Die Sinne kennt als mächtig man, mächt’ger noch ist der Innensinn,
mächt’ger als dieser der Verstand, weit mächt’ger noch das ew’ge Selbst.
Wenn seine Macht du hast erkannt, dann stärke durch das Selbst dein Selbst, –
töte den Feind, Großarmiger, den Proteus, den man schwer bezwingt.
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